15
Feb

Die Krawatte für männliche Angestellte hat ausgedient. Sneakers haben im Büro die auf Hochglanz polierten Schuhe abgelöst. Wie selbstverständlich werden wir in Geschäften, Cafés oder im Kino geduzt. In den meisten Unternehmen wurde mittlerweile dazu übergegangen, sich ebenfalls einander zu duzen. Über Nacht ist der Vorstandsvorsitzende der „Stephan“ geworden.

„Ein Freund, ein guter Freund!“, könnten frau und man sich dabei denken. Aber kann Freundschaft in der Arbeit funktionieren?

Als mein Ex-Kollege Gernot im Ruhestand war, hat er sich bei mir bitter darüber beschwert, dass von den ehemals zahlreichen KollegInnen gerade einmal zwei übriggeblieben sind, die ihm zu Geburtstag gratulierten (einer davon war ich).

Sind die Kolleginnen und Kollegen tatsächlich in kurzer Zeit herzlos geworden und haben ihn vergessen?

Du (ja, auch bei WTM duzen wir uns!) wirst es kaum glauben, aber die Antwort auf diese Frage ist fast 2500 Jahre alt: Aristoteles hat seinerzeit 3 Arten von Freundschaft unterschieden: die zweckgerichtete, die hedonistische und die wahre Freundschaft.

Die zweckgerichtete Freundschaft bindet uns so lange, wie wir ein gemeinsames Interesse verfolgen (z. B. als GeschäftspartnerInnen oder als KollegInnen). Die hedonistische Freundschaft dauert so lange, wie wir gemeinsam Spaß haben (z. B. mit den Nachbarn im Fußballstadion). Die „wahre“ Freundschaft beschreibt Aristoteles als „eine Seele in zwei Körpern“. Letztere Freundschaft besteht um ihrer selbst willen (Kein Wunder, dass wir auch nur maximal 3 – 5 Menschen als „beste“ FreundInnen bezeichnen).

Mit dieser Unterscheidung können wir leichter zuordnen, welche Art von Freundschaft wir in unseren privaten und Arbeitsbeziehungen erleben. In der Arbeit werden wir nur wenige „wahre“ Freundschaften schließen. Vielmehr verbindet uns am Arbeitsplatz die gemeinsame Aufgabe, die wir zu bewältigen haben. Und wenn diese Grundlage entfällt, ist es auch mit dieser Art der Freundschaft vorbei. Und mit der Gratulation zum Geburtstag.

Gernot und ich sind nach 30 Jahren immer noch Freunde, „wahre“ Freunde. Ein „wahrer“ Glücksfall!