27
Mrz

Wie schwer muss es für die Angehörigen der Verunglückten sein, zum schlimmen Verlust der Liebsten den irrsinnigen Medienhype zu ertragen? Seit Dienstag läuft auf allen Kanälen jede Art von Berichterstattung, Bilder von trauernden Menschen, brennende Kerzen, wichtig-wichtige Moderatoren, die in den Finger in die Wunde legen. Sensationslust, wo immer ich hin schaue!

Am Dienstagabend, zurückgezogen in mein Hotelzimmer, trauerte ich still und leise vor mich hin. Der Tod der Schüler geht mir sehr nah, bin ich ja selbst Mama und lasse meine Kinder jeden Ausflug, jeden Schüleraustausch mitmachen. Wie selbstverständlich ist es, dass die Kinder wieder heil nachhause kommen und begeistert von ihren Erlebnissen erzählen. Unvorstellbar, was die Eltern in diesen Tagen erfahren. Den tiefen Schmerz kann glaub ich keiner nachvollziehen, der das nicht selbst erleben musste. Es muss das Dunkelste, das Schrecklichste sein, was einem Menschen wiederfahren kann! Da hilft mir nur ein Satz, den ein geschätzter Kollege zu mir gesagt hat: „Trauer ist eine Form von Liebe, nur in einer anderen Farbe!“

Auf der einen Seite erfahren wir in diesen Tagen viel Mitgefühl, viel Liebe und Trauer, auf der anderen Seite erschreckt mich die Geschwindigkeit der Medien, wie die Aufklärung sich in Spekulationen verfängt. Auch ich habe gestern Abend beim Abendessen heftig darüber geschimpft, wie furchtbar es ist, wenn ein Mensch viele Menschen mit in seinen Tod reist, willentlich. Die Nacht über habe ich viel geträumt, viel Wirrwarr, und heute früh wurde mir klar, was hier passiert ist:

Eine Hypothese wandert um die Welt und sollte nach der endgültigen Aufklärung was anderes herauskommen, ist die Familie des Co-Piloten ruiniert! Das Bild des Hauses, in dem der Co-Pilot lebte, geht um die Welt, der Name wurde veröffentlicht. Kein Mensch wird je erfahren, was tatsächlich passiert ist. Die Menschen, die berichten könnten, sind tot! Und dann stellt sich mir auch noch die Frage, wie muss es den Trauernden gehen, die nun erfahren, wie schnell die Trauer sich in Hass und Schuld umgewandelt hat? Es macht die Toten nicht mehr lebendig, und es macht die lebendigen Hinterbliebenen des Copiloten „tot“!

Nun kommt die Karwoche und ich wünsche mir, dass wir diese Woche bewusst nutzen, um aus dem aktuellen Geschehen zu lernen, zu prüfen, wo werden Hypothesen zu Waffen, wo können wir durch ein zweites Hinschauen Unglück verhindern? Wir können uns in unserem eigenen Umfeld umschauen und die Gedanken über die einzelnen Personen überprüfen. Wie respektvoll gehe ich mir der Würde des Menschen um? Wo bin ich durch eigene Geschichten befangen und wo misstraue ich meinem Gegenüber? Wo unterstelle ich Böses, ohne es überprüft zu haben? Wo rette ich und wo verfolge ich? (Transaktionsanalyse nach C.G.Jung).

Vor vielen Jahren bin ich aus eigenem Erleben auf diese Metapher gestoßen:

Eine üble Nachrede

Ein Nachbar hatte über Federmann schlecht geredet und die Gerüchte waren bis zu Federmann gekommen. Federmann stellte den Nachbarn zur Rede.
„Ich werde es bestimmt nicht wieder tun“, versprach der Nachbar. „Ich nehme alles zurück, was ich über Sie erzählt habe“.
Federmann sah seinen Nachbarn ernst an. „Ich habe keinen Grund, Ihnen nicht zu verzeihen“ erwiderte er. „Jedoch verlangt jede böse Tat ihre Sühne.“
„Ich bin gerne zu allem bereit.“ sagte der Nachbar zerknirscht.
Federmann erhob sich, ging in sein Schlafzimmer und kam mit einem großen Kopfkissen zurück. „Tragen Sie dieses Kissen in Ihr Haus, das hundert Schritte von meinem entfernt steht.“ sagte er. „Dort schneiden Sie ein Loch in das Kissen und kommen wieder hierher zurück, indem Sie unterwegs immer eine Feder nach rechts, eine Feder nach links werfen. Dies ist der Sühne erster Teil.“
Der Nachbar tat, wie ihm geheißen. Als er wieder vor Federmann stand und ihm die leere Kissenhülle überreichte, fragte er: „Und der zweite Teil meiner Buße?“
„Gehen Sie jetzt wieder den Weg zu Ihrem Haus zurück und sammeln Sie alle Federn wieder ein.“
Der Nachbar stammelte verwirrt: „Ich kann doch unmöglich all die Federn wieder einsammeln! Ich streute sie wahllos aus, warf eine hierhin und eine dorthin. Inzwischen hat der Wind sie in alle Himmelsrichtungen getragen. Wie könnte ich sie alle wieder einfangen?“
Federmann nickte ernst: „Sehen Sie! Genau so ist es mit der üblen Nachrede und den Verleumdungen. Einmal ausgestreut, laufen sie durch alle Winde, wir wissen nicht wohin. Wie kann man sie also einfach wieder zurücknehmen?“