30
Mai

Das ist klar, oder? Wer würde heute noch daran zweifeln?

Halt! Haltung? Was ist das eigentlich? Nur Körperhaltung wohl jedenfalls nicht. Und wenn man sich mal überlegt, dass Haltung irgendwas mit „halten“ zu tun hat, ja dann wird es ganz schnell ganz spannend. Mir jedenfalls fällt kein Verb ein, das so unterschiedliche Bedeutungen einnehmen kann.

Man kann Versprechen halten, Gegenstände, Reden. Man kann einen Zug anhalten, jemanden anhalten, etwas zu tun und von anhaltenden Regenfällen sprechen. Man kann jemanden unterhalten, indem man ihn ernährt oder amüsiert. Enthalten bedeutet Verzicht oder einen Inhalt haben. Sowohl Reden als auch Menschen können ungehalten sein. Hinhalten heißt vertrösten oder anbieten.

Sehr viele Begriffe mit „halten“ haben solch unterschiedliche Bedeutungen. Und was heißt das nun für „Haltung“? Oder für „Verhalten“? In letzterem Wort begegnen sich zwei völlig unterschiedliche Konzepte: Verhalten kann bedeuten etwas nicht bzw. sehr gebremst zu tun oder eben etwas zu tun, nämlich sich zu verhalten. Interessanterweise bilden beide Konzepte keinen Widerspruch. Denn sie verlangen uns eine Entscheidung ab: tun oder nicht! Und genau darin kommt unsere Haltung zum Vorschein. Haltung zu haben, bedeutet eine Entscheidung getroffen zu haben: welche der vielen Bedeutungen mache ich mir zu Eigen?

Deshalb ist Haltung auch nicht einfach. sie verlangt Selbstverantwortung. Deshalb sind Techniken auch so beliebt. Hier bestimmt das Werkzeug das Verhalten. Der nächste Schritt ist immer schon durch den Prozess vorgegeben, dem ich mechanisch folge. Die Wahlmöglichkeiten sind eingeschränkt, ich bin sowohl emotional als auch gedanklich entlastet, die Verantwortung für das Gelingen ist an die Technik delegiert. Und wenn’s nicht klappt, dann sind die Umstände schuld.

Halt! Haltung ist auch innehalten. Haltung will Ruhe und Selbstbestimmung. Haltung ist Zustand, nicht Bewegung. Sie kann aufhalten, nicht nur einen Zug, der für uns möglicherweise zu schnell ist, sondern auch die Tore der Wahrnehmung für unsere Umgebung offenhalten. Dann erhalten wir neben neuen Einsichten auch noch Dauerhaftigkeit und Konstanz, Verlässlichkeit für uns selbst und für andere.

Nächster Halt: die Möglichkeit zum Wechsel. Von einem fahrenden Zug abzuspringen, soll nicht ganz einfach sein. Erst innere Haltung ermöglicht es uns „Stopp!“ zu sagen, wenn wir merken, dass unser Lebens-Zug eine falsche Richtung nimmt oder wenn wir merken, dass wir im falschen sitzen.

Und Halt ist ja auch Sicherheit, Rückhalt, der uns im Spiel halten kann, der nachhaltig Reserven vorhalten kann. Manchmal macht man uns auch Vorhaltungen, wenn wir mit unseren Reserven nicht haushalten. Halt(ung) bedeutet Festigkeit und Vielfalt, Offenheit und Verlässlichkeit, Konsequenz und Wählmöglichkeit. Wir müssen uns nur entscheiden.