Konflikte werden in Unternehmen und Organisationen oft lange verdrängt, nicht wahrgenommen, manchmal zelebriert oder sogar zum Bestandteil der eigenen Identität gemacht.
Häufig werden sie nur unter bestimmten Voraussetzungen aktiv bearbeitet
- wenn gravierende finanzielle Auswirkungen eintreten oder akut drohen,
- wenn eine Konfliktpartei rechtliche Schritt einleitet oder damit droht oder
- wenn der Konflikt solche Ausmaße angenommen hat, dass die Arbeitsfähigkeit einzelner Personen oder der Organisation akut gefährdet ist.
Warum ist dies so?
Aus meiner Sicht gibt es hierfür mehrere Erklärungsansätze:
- Schon das Wort „Konflikte“ ist negativ belegt. Das Eingeständnis, dass in einem Unternehmen oder in einer Beziehung Konflikte bestehen, wird als Versagen betrachtet. Man hat es nicht geschafft, die Kommunikation und das Arbeitsverhältnis gut und reibungsfrei zu organisieren. Dies kann die die Außenwelt wahrnehmen und eventuell negativ bewerten.
- In der Innenwelt kann die Bearbeitung von Konflikten dazu führen, dass man sich mit persönlichen Verhaltensweisen auseinandersetzen muss. Aus der in der Eigenwahrnehmung vermeintlich gut funktionierenden Führungskraft oder dem perfekt integrierten Mitarbeiter wird auf einmal ein Mensch mit Empfindlichkeiten, mit schwachen Stellen, mit konkreten Verbesserungsansätzen. Eine Beschäftigung mit dem Konflikt, gar eine Lösung kann dazu führen, dass liebgewonnene oder schützende Gewohnheiten reflektiert werden müssen, dass die eine oder andere Verhaltensweise auch im fortgeschrittenen Alter angepasst werden muss. Veränderung führt zu Unsicherheit. Wer braucht das schon?
- Konflikte sind zwar belastend, bringen jedoch einen sekundären Gewinn. Dies ist ähnlich wie bei manchen Patientinnen oder Patienten, die kein wirkliches Interesse an der Heilung ihrer Krankheit haben. Konflikte bringen Aufmerksamkeit („Guck mal da hin, die zwei streiten schon wieder“), geben Gesprächsstoff, ordnen die Welt in „Gut und Böse“. Jammern gehört in manchen Gesprächsrunden oder Unternehmen zum guten Ton und verschafft eine gemeinsame Leidensidentität.
Wenn ein Unternehmen wartet, bis ein Konflikt die oben beschriebenen Dimensionen erreicht, hat es bereits
- viele Arbeitsstunden, in denen ausführlich und leidenschaftlich über den Konflikt geredet wird, verloren
- ineffiziente Prozesse geduldet, weil Menschen im Konflikt sich nicht im notwendigen Maße miteinander abstimmen, lieber Doppelarbeiten vornehmen als adäquat miteinander zu reden oder umfassende Regelwerke aufstellen, weil spontane und situationsangepasste Koordination in Konfliktbeziehungen nicht möglich ist.
- den Kunden dadurch mangelhafte Arbeit abgeliefert und eventuell sogar wichtige weitere Aufträge verloren
- Geld ausgegeben für die Kompensation von Ausfallzeiten und Fluktuation, die durch belastende oder unbearbeitete Konflikte entstanden sind.
Das heißt, KONFLIKTE SCHAFFEN MENSCHLICHES LEID UND KOSTEN GELD.
Zwei sehr gute Gründe also, um sich mit Konflikten zu beschäftigen, bevor es eskaliert und bevor es teuer wird. So können zufriedene Mitarbeiter gebunden, Rechtsstreitigkeiten vermieden und begrenzte Ressourcen dort eingesetzt werden, wo sie für das Unternehmen und seine Kunden einen Mehrwert bringen.
Da jedoch, wie oben beschrieben, die Beschäftigung mit Konflikten nicht unbedingt geliebt wird, muss ein Konfliktmanagementsystem einige wichtige Voraussetzungen erfüllen:
Unabhängig von Konflikten einzelner Personen betrachtet es präventiv die Organisation und sucht nach Strukturen, Regelungen und Prozesse, die potentiell konfliktträchtig sind. Auch Beschwerdemanagementsysteme oder die Einrichtung von betriebsinternen Ansprechpartnerinnen und –partnern für Konflikte (Konfliktlotsen) können hier hilfreich sein. Schulungen in Konfliktkompetenz für eine Vielzahl von Führungskräften und Mitarbeiter/innen tragen dazu bei, dass Konflikte vermieden, früher erkannt und adäquat bearbeitet werden. Es wird dann vom Unternehmen erwartet, sich professionell mit Konflikten zu beschäftigen.
Ist ein Konflikt eingetreten, gilt es zunächst mit Konfliktmoderationen, vertraulichen Coachings oder Mediationen die Situation zu entschärfen. Hier ist es wichtig, dass maximal mögliche Vertraulichkeit gewährt wird, damit niemand sein Gesicht verliert. Insbesondere die Mediation ist hier geeignet, Lösungen in einem gesetzlich geschützten, vertraulichen und strukturiertem Rahmen zu ermöglichen. Darauf aufbauend können dann Teamworkshops bei Bedarf auch in einem weiteren Umfeld zur nachhaltigen Befriedung der Situation beitragen.
Entscheidend für den effektiven Umgang mit Konflikten ist jedoch das Eingeständnis, dass sie überall dort entstehen, wo Menschen mit unterschiedlichen Interessen zusammentreffen, miteinander in Beziehung treten. Diese Interessen müssen ausgeglichen und eine für alle tragbare, zukunftsfähige Lösung gefunden werden. Sie sind kein Zeichen für Schwäche. Ganz im Gegenteil, die Erkennung und Bearbeitung von Konflikten ist ein Zeichen für ein stabiles persönliches Fundament und eine hohes Interesse an produktiven Abläufen.
Wer diesen Sachverhalt anerkennt, wird sich gerne mit den „kleinen“ Konflikten im „Mausstadium“ beschäftigen und nicht warten, bis diese zu Konfliktelefanten geworden sind. Er oder sie erkennt die Chance zur Verbesserung von Strukturen und Abläufen, zur Anpassung von Verhaltensweisen und wird, wie ich,
entwickeln.