von Dr. Bettina Hailer und Anna Eisenschink
Im richtigen Leben ist sie Stationsleiterin. Im „Krankenhaus am offenen Herzen“ ist sie die Aufsichtsratsvorsitzende, die ihre Gremiumsmitglieder von einer Fusion überzeugen muss, einem Geschäftsführer kündigt und eine Ansprache an demonstrierende Mitarbeiter hält. Die Stationsleiterin meistert diese Aufgabe bravourös, sie erkennt ihre eigenen Fähigkeiten und die Zwänge und Notwendigkeiten einer Aufsichtsratsvorsitzenden.
Bereits vor einigen Monaten haben wir die Simulation zu Führung und Kooperation im Krankenhaus, das „Krankenhaus am offenen Herzen“ entwickelt. Im „Krankenhaus am offenen Herzen“ bearbeiten 12-16 Teilnehmer Fälle aus der echten Krankenhauspraxis. So wird zum Beispiel die nötige Ablaufveränderung zur Einhaltung der 8-Uhr-Schnittzeit im OP, ein Geburtsschaden wegen mangelnder interner Kommunikation oder ein Mitarbeitergespräch nach einem Diebstahl bearbeitet. Die Fälle sind unterschiedlichen Besprechungsrunden und Arbeitsgruppen (wie z.B. einer Chefarztbesprechung, einer Abteilungssitzung Materialwirtschaft oder einer OP-Team-Sitzung) zugeordnet. Jeder Teilnehmer ist einmal in einer Führungskraftrolle. Nach jeder Trainingsrunde erhalten die Teilnehmer ausführliche Feedbacks und, je nach Bedarf, kurze Erläuterungen zu theoretischen Themen. Wir führen zudem in die Methode der kollegialen Beratung ein.
Das Konzept ist getragen von der Idee, dass bisher die Vermittlung von Führungsfähigkeiten vor allem theoretisch erfolgt, der nachhaltigste Erfolg jedoch durch persönliches Erleben erzielt wird; durch persönliches Erleben der bereits vorhandenen Ressourcen und auch durch Konfrontation mit den eigenen Fähigkeiten und Methoden, die noch entwickelt oder verfeinert werden können.
In der Umsetzung bekamen wir diese Annahme wiederholt bestätigt. Auch dem Rollenspiel gegenüber kritische Teilnehmerinnen und Teilnehmer waren mit großer Freude dabei, berichteten von eindrücklichen Lernerlebnissen (Teilnehmerstimme: „Ich war vorab sehr skeptisch gegenüber Rollenspielen. Hier habe ich gemerkt, wie lehrreich sie sein können, es ist ein Wunder passiert.“)
Ihnen wurde bewusst, was sie können. Sie erlebten welche Anforderungen an die Kollegen und Führungskräfte aus anderen Bereichen des Krankenhauses gestellt werden und wodurch deren Alltag geprägt ist. Sie lernten zu priorisieren, zu delegieren und schwierige Gesprächssituationen zu meistern. (Teilnehmerstimme: „Es war eine sehr effektive, spannende und kurzweilige Art des Lernens.“)
Eine neue Veröffentlichung von Franz Hütter und Sandra Mareike Lang zur Neurodidaktik für Trainer (Bonn 2017) hat nun bestätigt, dass dieser Erfolg auf neurobiologischen Grundlagen beruht. Wichtig ist hierbei, z.B. der Aufbau von Bindungen zwischen den Teilnehmerinnen und Teilnehmern, die Erzielung von relevanten, anspruchsvollen Ergebnissen oder die Auseinandersetzung mit realitätsnahen Zwickmühlen.