06
Jan

Ich kann mich sehr gut an meine Zeit im Expatriate-Management eines großen Automobilkonzerns erinnern. „Alle jahre wieder…“: Es war kurz vor Weihnachten – die Zeit zu der viele Assignees in die Heimat reisen und Familie besuchen – und eine Expatpartnerin schneite unangemeldet ins Büro.

Sie war einigermaßen aufgelöst und bombardierte mich mit Beschwerden, die ich so oder so ähnlich schon viele Male gehört hatte: „Nie ist der Personalbereich in Deutschland erreichbar! Der Personalbereich in Indien ist völlig inkompetent! Der COLA (Cost of Living allowance) ist zu niedrig – wissen Sie, was ein Stück Gouda in Pune kostet? Sie setzen die Gesundheit meiner Familie aufs Spiel: meine Tochter hat seit drei Monaten einen Schnitt am Fuß, der nicht verheilt. Und wissen Sie überhaupt, was es für meinen Sohn heißt, dass es an seiner Schule keine Fußball AG gibt? Und auf dem Gelände gegenüber verbrennen DIE ihre Leichen – die Kinder haben schon Alpträume!… Endlos ließe sich dies fortsetzen. (Und ich wusste: weder war ich persönlich gemeint, noch ein besonderes Land.)

Das Vernünftigste schien mir, die Tür zu schließen, sie mit einem „bitte nicht stören Schild“ zu schmücken und zwei Becher Kaffee zu besorgen. Auf meine Bitte, einfach mal von vorne anzufangen, platzte sie weinend heraus: „Mich gibt es nicht mehr! Ich werde meinen Mann verlassen und nach Deutschland zurückkommen.“

Für Menschen, die nie selbst als Expatpartner/partnerin im Ausland waren oder die nie in diesem Kontext gearbeitet haben, mag dies exaltiert und übertrieben anspruchsvoll klingen. So ein Auslandseinsatz ist doch toll, ein echtes Abenteuer.

Ich hatte als Leiterin Expatmanagement Asia/Arabia jedoch viele Familien zerbrechen sehen. Oft sind die Expatriates selbst unter einem enormen Druck in kürzester Zeit in der neuen Funktion Fuß zu fassen und Veränderung zu bewirken. Sprich sie sind kaum im neuen Zuhause. Die Partner jedoch haben die große Verantwortung für das emotionale Ankommen im neuen Zuhause zu sorgen: für die Kinder, den Partner und sich selbst. Dies bedeutet eine enorme Anpassungsleistung. Und häufig vergessen Sie, dass es auch noch sie selbst gibt.

Und sobald sie dies feststellen, spüren sie meist erstmals, dass sie aus ihrem bisherigen sozialen Gefüge gefallen sind. Die Zeitverschiebung macht Telefonieren fast unmöglich. Eigene berufliche Ziele werden auf Eis gelegt. Es gibt keine Kollegen, mit denen sich mal rasch plaudern lässt. Und dann gelingt es auch den Kindern nicht immer sich rasch an die neue Umgebung zu gewöhnen. Gefühle von großer Traurigkeit und Einsamkeit stellen sich ein. All dies kann sehr belastend sein.

„Heimweh? Ich doch nicht!“ Heimweh ist ein Gefühl, dass sehr oft schambesetzt ist. Und zudem ist es alles andere als zeitgemäß in unserer globalisierten Welt. Menschen leiden unter Heimweh, aber sie reden nicht darüber.
Auch die Expatriates selbst können in ein solches Tief geraten. Jedoch ist die Phase der Eingewöhnung meist leichter, da die Infrastruktur am Arbeitsplatz vertraut ist: es gibt Büros mit der entsprechenden Ausstattung, KollegInnen und AssistentInnen, die übrigens meist auch Englisch sprechen, es gibt Meetings, häufig gibt es begleitende Trainings- oder Coachingprogramme.

Als Psychologin weiß ich, dass schon normale Umzüge innerhalb eines Landes zu gravierenden Anpassungsstörungen führen können. Nach der Definition des ICD-10 ist eine solche Störung ein “subjektives Leiden und eine emotionale Beeinträchtigung mit Einschränkung der sozialen Funktionen und Leistungen nach entscheidenden Lebensveränderungen (z.B. Umzug) oder belastenden Ereignissen (z.B. Trennung).” Und ich weiß aus eigener Erfahrung, wie schwierig es ist darüber zu sprechen. Ich kenne Heimweh – und dies selbst innerhalb von Deutschland! Beides hat mir den Umgang mit den oft hochemotionalen Diskussionen erleichtert.

Schon immer war ich der Meinung, dass diese Verzweiflung nicht sein muss! Eine Expatpartnerin sagte damals zu mir: „Ohne die Gespräche mit Dir, wäre ich verrückt geworden! Du musst das beruflich anbieten.“

Nun: ich bin seit über einem Jahr als selbstständige Beraterin und Coach tätig, mit einem klassischen Leistungsspektrum, das sich eher an Unternehmen richtet.

Dennoch hat mich der Gedanke an die Expats und ihre Themen nie ganz losgelassen. Und in diesem Herbst habe ich beschlossen, dass die Vorweihnachtszeit eine gute Zeit für etwas Neues ist – ich werde ab 2018 auch Expat Partner Coaching anbieten.

„Alle Jahre wieder“ …  ist jetzt für mich ein Erinnerungsanker für Neues und Positives.

 

Mehr dazu unter:

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