team_blog_Supervision
21
Feb

Weihnachtszeit in allen Poren und in den Gedanken. Vorbereitung auf den verdienten Jahresendurlaub. Und dann eine dringend kurzfristig angesetzte Teamsupervision mit Führungskräften einer größeren sozialen Einrichtung. In dem bisherigen 15monatigen Begleitprozess ein Hoch und Runter, Ups and Downs, kleinere Dramen, Lachen, vorsichtiges Austarieren von Nähe und Distanz, Vorwürfe und Anerkennung, insgesamt jedoch scheinbar eine vorsichtige Bewegung auf ein Miteinander hin, wenn auch zäh.

Plötzlich unerwartet die Mail der Einrichtungsleitung: Hier tobt der Bär! Anruf, kurze Vorklärung der Situation, Absprache der nächsten Schritte. Eine Führungskraft macht zunehmend Fehler, kaschiert, verstrickt sich in Widersprüche, beschuldigt andere…

Klarer Fall, der gehört abgemahnt, diszipliniert, auf Linie gebracht…

Die Teamsupervision. Aufnahme der Situation, Anhören, Zuhören der Beteiligten, leises Verstehen dringt durch die Situation: Angst!

Dann der sich langsam andeutende, aber dann doch plötzlich sich vollziehende Zusammenbruch, am Ende der Kraft, Ringen mit der Fassung, mühsam aufrecht erhaltene Stärke bröckelt, erst langsam, dann immer schneller, zeigt Risse, fällt in sich zusammen…

Privates Chaos und Leere, schwierige Herkunftsgeschichte, neue herausfordernde, an sich vorbei ziehende neue Kollegen auf der Leitungsebene. Die Angst, nicht mehr zu genügen, Fehler zu machen, Macht, Ansehen und Einfluss zu verlieren, greifbare Existenzangst – genau der Weg, eben genau das zu provozieren. Ein sich Einspinnen in einem Kreislauf, der sich immer enger zieht. Dann als Schutz das Beschuldigen, das Aufbrausen, das Agieren ohne Mitte, das schwer nachvollziehbare Agieren. All das kommt in einem Schluchzen, in leise geäußerten Selbstmordgedanken, in eine dichte und greifbare Betroffenheit. Verstehen, Schweigen, Zuspruch, der scheinbar in der Spirale verhallt. Gedanken des Supervisors gebündelt in einem Teil, der mit sich redet, während ein anderer Teil professionell agiert und regelt: Kenn ich auch, war auch schon Mal nahe dran…

Einige äußern sich in der Betroffenheit laut und ähnlich. Mir auch schon passiert, dass ich „nah dran war“. Notfallunterbringung in einer psychosomatischen Klinik. Gute Besserung und frohe Weihnacht!

Und dann die unausweichliche Frage nach der Schuld, die das Team beschäftigt. Wer ist dafür verantwortlich? Wer hat Schuld? Wer hat welche Anteile? Wer hat was übersehen, nicht gemerkt, dass der Kollege fachlich und psychisch am Limit und drüber hinaus war? Was ist der Anteil der Struktur, der Einrichtung, der Kommunikation … Warum konnte der Kollege sich nicht eher äußern, was hätte es im Miteinander, in der Struktur, in der Organisation gebraucht?

Der ehemalige Dortmunder und Münchner Meistertrainer und Schweizer Nationalcoach Otmar Hitzfeld äußerte sich vor kurzem in den Medien zu seinem aus Angst um seine berufliche Zukunft 2004 verschwiegenen Burnout. “Ein Trainer mit Burnout zeigt Schwäche und scheint dann plötzlich nicht mehr in der Lage, ein Team zu führen. Das Risiko, meine Erkrankung zu outen und dadurch keinen Job mehr zu finden, war einfach zu groß”, sagte Hitzfeld im “FAZ”-Interview. Gemerkt habe er das daran, dass er sich nicht mehr über Siege freuen konnte: “Ich dachte nur noch: Zum Glück hast du nicht verloren. Dabei ist die Freude, das Adrenalin zur Motivation im Leistungssport so wichtig. Da dachte ich: ‘Mit dir stimmt was nicht.'” Infolge der Überbelastung habe er an Schlaflosigkeit und Rückenschmerzen gelitten.

Nur ein Fußballthema? Rangnick, Deissler und andere?

Es gibt Anzeichen für den drohenden Burn-Out oder auch Erschöpfungsdepression genannt. Wir sind dafür mit-ver-antwort-lich, was uns und anderen passiert, welche Signale wir geflissentlich überhören, übersehen, wegspüren… egal in welcher Position, auch wenn Führungskräften eine besondere Bedeutung qua Amt zukommt.

Was braucht es in der modernen Welt an von Menschen geschaffenen Strukturen, die neben der Gewinnmaximierung und dem fixierten Erreichen von Zielen in immer kürzerer Zeit auch die Menschen in den Blick nehmen, die das natürlich Ausleseprinzip – wenn nicht verhindern – so doch beherrschbar und human gestalten? Was braucht es an verantwortlicher Haltung?

Heute hat mir ein Kunde im Coaching gesagt, sein Chef, ein junger aufstrebender Abteilungsleiter eines deutschen Weltkonzerns, sei stolz darauf, nicht das WIE sondern das WAS in den Vordergrund seiner Führungstätigkeit zu stellen. Und … nicht die Meinung seiner Mitarbeiter interessiere ihn, sondern die Meinung seiner Vorgesetzten. Das in einem Konzern, der ausgeklügelte Leitlinien des Führens und Geführtwerdens, der eine professionelle Personalarbeit, eine Möglichkeit zur personalverantwortungsentbundener Fachlaufbahn hat und stolz auf Produkte, Mitarbeiter und seinen Ruf ist. Über die Burnoutzahlen wird geschwiegen … noch.